Nachhaltige Investments haben seit einigen Jahren Hochkonjunktur. In Zeiten der Beschleunigung des Klimawandels und der Schattenseiten der Globalisierung treibt viele Menschen das Bedürfnis um, ihr Geld nachhaltig und fair anzulegen. Doch das ist einfacher gesagt als getan, denn die Beurteilung der Nachhaltigkeit und Fairness einer Geldanlage erweist sich in der Praxis als durchaus komplex. Die Zahl nachhaltiger Investments ist unüberschaubar geworden und Anleger sehen sich mit einer Vielzahl verschiedener Nachhaltigkeitssiegel konfrontiert. Viele Finanzdienstleister machen es sich zudem einfach und vermarkten viele Produkte als nachhaltige Investments, die diesen Titel gar nicht verdienen. Als Anleger in dieser Gemengelage den Überblick zu bewahren und wirklich nachhaltige Investments zu identifizieren, ist alles andere als einfach.
Aussen hui, innen pfui
Nachhaltige Investments erfreuen sich seit einiger Zeit grösster Beliebtheit bei Anlegern. In Zeiten des beschleunigten Klimawandels versuchen viele Privatanleger ihr Geld möglichst nachhaltig und umweltfreundlich anzulegen. Dies belegen auch die Zahlen. Gemäss einer Marktstudie von Swiss Sustainable Finance sind die in nachhaltige Investments geflossenen Mittel von 2019 auf 2020 um rund ein Drittel gestiegen. 2020 wurden in der Schweiz über 1,5 Milliarden Franken in derartige Anlagen investieren – über 37 Mal mehr als noch vor zehn Jahren.
Inzwischen bieten Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter eine schier endlose Zahl an nachhaltigen Investmentprodukten an, die mit den schönsten Slogans beworben werden. Viele Anleger lassen sich von den tollen Versprechungen der Finanzdienstleister anlocken. Sie suggerieren, dass sich Ökonomie und Ökologie heutzutage bestens miteinander vereinen lassen. Anleger, die ihr Geld in nachhaltig ausgerichtete Unternehmen stecken, helfen nicht nur der Umwelt, sondern sorgen auch für faire Arbeitsbedingungen – so das Versprechen.
Doch in der Praxis halten diese Versprechen einer Überprüfung nicht stand. Oft erweist sich die Verpackung als hui, doch der Inhalt als pfui. Für diese Praxis hat sich inzwischen der Begriff des Greenwashing etabliert. Damit sind alle Methoden von Unternehmen gemeint, die dazu dienen sollen, in der Öffentlichkeit ein umwelt- und verantwortungsbewusstes Image zu erzeugen, ohne dass es dafür eine ausreichende Grundlage gibt.
Wie ist Nachhaltigkeit definiert?
Anleger ist in diesem Zusammenhang nur selten ein Vorwurf zu machen. Sie stehen vor dem Problem, dass die vorhandenen Anlagemöglichkeiten in den meisten Fällen nicht einfach zu durchschauen sind. Es beginnt damit, dass es für den Begriff der Nachhaltigkeit keine einheitliche oder gar verbindliche Definition gibt.
Ein nachhaltiges Investment wird oft anhand dreier Kriterien beurteilt (den sogenannten „ESG-Kriterien“): Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Der Bereich Environment bildet die umwelt- und klimarelevanten Aspekte eines Unternehmens ab. Dazu zählt unter anderem ein effizienter Umgang mit Ressourcen, die Einhaltung umweltverträglicher Produktionsprozesse und die Herstellung umweltfreundlicher Produkte. Im Bereich Social werden Aspekte rund um das soziale und gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens abgebildet. Dazu gehören beispielsweise die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten, die Beachtung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und die angemessene Bezahlung der Mitarbeiter. In den Bereich Governance fallen Aspekte der nachhaltigen Unternehmensführung, wie unter anderem die Verhinderung von Bestechung und Korruption, die Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken und die Einhaltung von Steuergesetzen.
Wer entscheidet über die Nachhaltigkeit?
Auf den ersten Blick sieht der ESG-Ansatz äusserst vernünftig aus. Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch die Frage, wer diese Kriterien beurteilt. Die Antwort auf diese Frage lautet: Sehr viele Organisationen und Unternehmen – und alle verfolgen unterschiedliche Ansätze.
International weit verbreitet ist die sogenannte Global Reporting Initiative. Bei der GRI handelt es sich um einen Anbieter von Richtlinien, auf deren Basis Unternehmen ihre Leistungen in Bezug auf Nachhaltigkeit beurteilen können. Neben der GRI existieren heutzutage zahlreiche Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, wie beispielsweise Ecovadis, Imug Rating, Inrate, ISS Oekom, Robecosam und Sustainalytics.
Inzwischen sind auch die weltweit tätigen Finanzinformationsdienstleister Bloomberg, MSCI und Thomson Reuters auf den Zug der Nachhaltigkeit aufgesprungen und bieten ihre eigenen Ansätze zur Nachhaltigkeitsbeurteilung von Unternehmen an. So bewertet der MSCI-ESG-Index weltweit 8.500 Unternehmen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit. Der Pferdefuss an dieser enorm grossen Auswahl ist, dass sich darunter auch Aktien aus den offensichtlich weniger nachhaltigen Branchen Automobil, Öl und Gas, Rohstoffabbau sowie Luftfahrt finden.
Nachhaltiges Investment ist nicht gleich nachhaltig
In zahlreichen Studien konnten Verbraucherorganisationen und sonstige NGOs in den letzten Jahren nachweisen, dass die wenigsten Produkte mit Nachhaltigkeitssiegel ihr Geld auch tatsächlich auf Basis ökologischer und sozialer Kriterien anlegen – ein klassischer Fall von Greenwashing. So konnten verschiedenste Studien offenlegen, dass Dutzende als Ökofonds beworbene Fonds ihr Geld auch in Ölfirmen investierten. Gleichermassen werden auch Milliarden an Kundengeldern in als nachhaltig angepriesenen Fonds in Gas- und Rohstoffkonzernen angelegt. Generell werden nur in seltenen Fällen besonders umweltschädliche Sektoren oder problematische Unternehmen von der Geldanlage ausgeschlossen.
Das Problem der Fondsmanager
Das grundlegende Problem, das sich dahinter verbirgt, ist die Arbeitsweise von Fondsmanagern. Diese haben in der Regel recht strenge Auflagen zu beachten hinsichtlich der Abweichung ihres Investitionsansatzes von einem bestimmten Basisindex. Diese Auflagen gelten auch in Bezug auf nachhaltige Fonds.
In der Praxis bedeutet das, dass der Manager eines nachhaltigen Investmentfonds keinen besonders grossen Spielraum hat, nicht nachhaltige Unternehmen des Basisindex aus seinem Fonds auszuschliessen. Das hat zur Folge, dass auch nachhaltige Fonds nicht selten relativ genau einen Basisindex abbilden, der in der Regel zahlreiche Firmen enthält, die aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit nicht als nachhaltig gelten dürfen.
Was können Anleger dagegen tun?
Für Anleger, die Wert auf ein (wirklich) nachhaltiges Investment legen, bedeutet das, dass sie sich nicht auf irgendwelche Nachhaltigkeitssiegel von Rating-Agenturen und schon gar nicht auf die Greenwashing-Werbeversprechen der Finanzdienstleister selbst verlassen dürfen. Um tatsächlich das Niveau der Nachhaltigkeit eines Investments beurteilen zu können, ist eine Prüfung auf eigene Faust nötig.
Solch eine Prüfung muss in der Praxis gar nicht kompliziert sein. So können Anleger beispielsweise bei einem als Öko-Fonds beworbenen Investmentfonds die einzelnen Anlagepositionen überprüfen und feststellen, in welche Unternehmen ein Fonds sein Geld investiert.
Eine weitere Möglichkeit, ein nachhaltiges Investment zu identifizieren, sind Aktienfonds, die sich auf bestimmte Themen fokussieren. So können Anleger beispielsweise gezielt in Fonds investieren, die ihr Geld ausschliesslich in Unternehmen aus den Sektoren Erneuerbare Energien oder Recycling anlegen.
Eine Alternative zur Anlage in Fonds ist die Eigenauswahl von Aktien. Diese Art der nachhaltigen Geldanlage sei jedoch nur Personen empfohlen, die ausreichend Zeit und Kenntnisse des Aktienmarktes mitbringen. Seit 2017 besteht für kapitalmarktorientierte Unternehmen in Europa eine Berichtspflicht, gemäss derer die Firmen über die wesentlichen Belange in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung informieren müssen. Für Anleger sind diese Berichte eine wertvolle Quelle zur Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens.